Wie hat es letztens jemand so schön ausgedrückt: Es macht pling und die Idee ist da oder es macht plopp und da ist nichts. Ich bin ein kreativer Mensch und daher weiß ich, dass man Ideen nicht erzwingen kann. Leider macht es bei mir in den letzten elf Monaten selten pling und zu oft plopp. Die Überarbeitung meines Romans gestaltet sich als schwierig. Ich habe das Gefühl, mich in meiner kreativen Parallelwelt seit Monaten im Kreis zu drehen. Manchmal erwische ich mich sogar bei dem Gedanken, dass ich nicht mehr raus will, weil es mir auf mein Gemüt schlägt, die geschlossenen Läden, Restaurants, Hotels, Bars, Cafés und Sportstudios zu sehen. Wenn ich beobachte, wie die Leute mit der Maske im Gesicht auf der Straße aneinander vorbei huschen, entsteht bei mir der Eindruck, als nehme man sich mit Maske im Gesicht weniger wahr.
Die Menschen reduzieren sich in den letzten Monaten immer mehr auf ihr Privatleben und das tut einer Gesellschaft nicht gut. Durch die Kontakteinschränkungen und den Mangel der Möglichkeiten am öffentlichen Leben teilzunehmen, ziehen die Menschen sich zurück und leben in ihrer Blase. Es besteht auf Dauer die Gefahr, dass die Solidarität, Toleranz und Empathie verloren gehen. Dabei erscheint es auf den ersten Blick nicht so. Auf die Frage, wie geht es Dir, kommt meist als Antwort: Gut, man habe ja keinen Grund zu klagen. Man sei schließlich gesund und nehme seit Monaten die persönlichen Lebenseinschränkungen gern in Kauf, weil man ja die Alten und Kranken unserer Gesellschaft schützen will. Klingt doch sehr solidarisch. Wenn dann die Aufzählung folgt, was allerdings gerade den Alltag erschwert und belastet, wie zum Beispiel das viel gepriesene Homeoffice oder das Homeschooling und dann zugegeben wird, dass die Existenzängste von Monat zu Monat zunehmen und der Zustand dauerhaft in Stress ausartet, klingt es ehrlich gesagt nicht danach, dass es einem gut geht und man keinen Grund zu klagen hätte. Dennoch folgt dann meistens noch rasch der Zusatz, dass das ja aber alles Jammern auf hohem Niveau sei. Ganz ehrlich, ich kann diesen Ausspruch nicht mehr hören.
Wenn ein Single mir erklärt, dass er es doch ganz gut habe, weil man eben nicht dem Stress mit Kindern im Homeoffice und -schooling ausgesetzt sei und man nicht in die Verlegenheit käme, sich während der Kontakteinschränkungen mit einem Partner allein in den vier Wänden anzuöden, klingt das für mich sehr nach einer Schutzbehauptung, ebenso wenn eine gestresste Mutter mit Kindern im Homeschooling und parallel im Homeoffice mit Ehemann vorgibt, es gehe ihr doch im Verhältnis gut, man sitze schließlich nicht einsam und allein zuhause. Bei all den Äußerungen habe ich das Gefühl, immer so ein „aber“ als Hintergrundrauschen zu vernehmen.
Was ist los mit der Gesellschaft? Es geht natürlich immer auch schlimmer, aber es geht immer auch besser. Es ist ein Trugschluss zu denken, es ginge einem besser, nur weil es anderen noch schlechter gehe. Das funktioniert nicht wirklich. Das sagt der Kopf, aber nicht das Gefühl. Eigentlich wissen wir es doch, dass das Verdrängen von Gefühlen nichts bringt, dass es sogar auf Dauer gefährlich sein kann und die Psyche negativ beeinflusst. Wir müssen gerade, während wir ausgebremst in unserer Blase leben, zugeben dürfen, dass wir leiden, weil wir Dinge vermissen, auch wenn diese Dinge auf den ersten Blick im eigentlichen Sinn nicht überlebenswichtig erscheinen.
Ich habe den Eindruck, je länger diese Ausnahmesituation andauert, umso mehr verliert sich die Gesellschaft. Das Gefühl, dem ganzen machtlos ausgeliefert zu sein, diese Ohnmacht, nimmt von Woche zu Woche zu. Der Austausch findet nur noch oberflächig statt, man stumpft ab, ist dem allem so müde und irgendwann fehlt dann einfach die Kraft für die Solidarität, das Gefühl für die Toleranz und es kommt zu einer falsch verstandenen Empathie.
Mir fehlen die Schwingungen des Alltags. Mir fehlt der öffentliche Raum, dieses Abtauchen in eine andere Atmosphäre. Abtauchen ins Theater, in die Oper, Museen, die Kunst genießen und diesen Genuss, mit anderen Menschen physisch in einem Raum zu teilen. Gerüche und Geräusche wahrnehmen. Im Restaurant sitzen, dem Stimmengewirr, dem Lachen lauschen, dabei den Service und die Speisen genießen und bei alledem den Abstand zu seinem Zuhause und zu sich finden. Mir fehlen die Gespräche, in denen man sich mit seinem Gegenüber verliert und dabei neuen Gedanken und Ideen folgt. Die skurrilen zum Teil blöden, absurden gedanklichen Inspirationen, aus denen ganz wunderbare neue Ideen und Geschichten entstehen. Das funktioniert weder über E-Mail, Chat, Telefonate oder Skype & Co. Auch die Konzert- und Opernübertragungen im Netz oder im Fernsehen können die Atmosphäre der physischen Anwesenheit nicht ersetzen. Das alles fehlt mir so sehr und ich gebe es offen zu: es geht mir nicht gut damit. Es hilft mir eben nicht, dass es gerade einen anderen Menschen in meinem Umfeld vielleicht schlechter geht. Dieser Umstand spricht allenfalls mein Mitgefühl an, ändert aber nichts daran, dass mir die Inspirationen und die Lebendigkeit fehlen, die man auf Dauer in so einem ausgebremsten distanzierten Leben nicht finden kann und dabei gehen die Plings verloren und es bleiben zu viele Plongs.
Claudia Lekondra