Was fehlt wirklich in diesen Tagen

Zu Beginn des Shutdowns fühlte es sich für mich an, als ziehe man mir den Boden unter den Füßen weg. Mein so vertrautes Leben in dieser Welt war mir auf einmal fremd. Ohne Vorwarnung von einem Tag auf den anderen war das bunte Leben einfach verschwunden. Die gewohnte Abwechslung des Alltags wich der Eintönigkeit eines Lebens, das man nicht freiwillig gewählt hat.

Von einen Tag auf den anderen war man fremdbestimmt. Ein Albtraum wurde wahr. Mit eines der höchsten Güter meines Lebens, nämlich meine Freiheit, war über Nacht abhandengekommen.

Die Menschen, die mir gegenüber erklärten, ihr Leben würde sich mit dem Shutdown, bis auf den Mangel an Toilettenpapier und Mehl, nicht sonderlich von ihrem sonstigen Alltag unterscheiden, empfinden die Sache mit der Freiheit sicher anders. Aber eben das ist Freiheit, dass jeder frei wählen kann, wie er lebt. Während diejenigen, die ihr Leben mit und ohne Covid19 gleich leben, habe ich unter den für mich einschneidenden Veränderungen einen Weg gefunden, mir es mit den momentanen Möglichkeiten in meinem Leben wenigstens etwas bunt zu gestalten.

Die Restaurantbesuche finden nun zuhause statt. Entweder versucht man sich an dem einen oder anderen neuen Rezept oder es wird bei einem der Lieblingsrestaurants bestellt. Während man die einem so vertrauten Lieblingsspeisen dann in seinen eigenen vier Wänden genießt, träumt man sich mit der entsprechenden musikalischen Untermalung davon. Die sportlichen Aktivitäten werden entweder ins heimische Wohnzimmer oder unter freien Himmel verlagert. Das schöne Wetter genießt man nun bei einem ausgiebigen Spaziergang und entdeckt hierbei immer wieder neuen Ecken in seiner Umgebung und der Fernseher bekommt im wahrsten Sinne des Wortes einen neuen Unterhaltungswert, indem er unter anderem als Ersatz für die Theater- und Konzertbühne herhalten muss. Das soziale Netzwerk und die Technik sorgen dafür, dass wir mit Familie, Freunden und Bekannten trotz physischer Kontaktsperre in Kontakt bleiben.

Noch immer ist mir dieses Leben fremd, aber der Boden unter meinen Füßen fühlt sich etwas stabiler an. Die Schockstarre löst sich etwas und ich bin nun in der Lage, mich zu fragen: Wen vermisse ich wirklich in diesen Tagen? Was von alle dem, was sonst meinen Alltag prägt, trägt wirklich dazu bei, dass sich mein Leben bunt anfühlt? Was entdecke ich in diesen Tagen wieder oder neu? Was gehört dazu, was vielleicht in Vergessenheit geraten ist oder bisher keine große Beachtung gefunden hat? Welche Menschen oder Begegnungen sind einen in diesen Tagen wichtig? Während ich sehnsüchtig darauf warte, meine Freiheit zurückzuerhalten ist es Zeit für die Frage: Was fehlt wirklich in diesen Tagen?

 

Claudia Lekondra