Die Sache mit der Gelassenheit

Im Alltag sind wir stets bemüht, unsere Zeit effektiv zu nutzen. Wir reagieren gestresst und genervt bei dem Gefühl, unsere kostbare Zeit zu vergeuden. Wenn wir einen Arzttermin haben, pünktlich in der Praxis erscheinen und dann noch eine halbe Stunde im Wartezimmer verbringen, der Flieger Verspätung hat und wir ungeplant eine Stunde auf dem Flughafen ausharren, der Bus oder die U-Bahn sich verspäten und wir auf der Straße oder auf dem Bahnhof stehen und warten. Oder wenn wir mit dem Auto in einen Stau geraten und sich seit einer Viertelstunde gar nichts mehr im Straßenverkehr bewegt. Dieses Warten empfinden wir als Zeitverschwendung. Ich habe mir angewöhnt, mich in solchen Situationen in Gelassenheit zu üben. Nicht immer einfach, aber es gelingt immer öfter. Zunächst versuche ich die Situation nicht zu bewerten, sondern sie hinzunehmen. Wenn ich in diesem Moment nichts ändern kann, wäre es müßig seine Energie damit zu verschwenden. Dann versuche ich meinen Gedankenfluss (was jetzt alles nicht mehr in meinen Zeitplan passt, da die Wartezeit es mir unmöglich macht, ihn einzuhalten) zu unterbrechen, denn er verursacht nur Stress. Stattdessen versuche ich mich darauf zu besinnen, dass eben auch diese Wartezeit einen Teil meiner Lebenszeit ausmacht und ich sie sinnvoll nutzen sollte, indem ich mir zum Beispiel die Umgebung anschaue oder einen Artikel auf meinem Smartphone lese, den ich schon seit zwei Tagen lesen wollte. Oder ich nutze die Zeit, eine E-Mail zu beantworten und vielleicht noch spontan ein privates Telefonat zu führen. Entspannen, einfach nur Musik hören, die Gedanken vor sich hin tanzen lassen und dabei versuchen, sich auf die dieser Situation geschuldeten Möglichkeit der Entschleunigung einzulassen. Ich habe letztens eine schöne philosophische Ausführung zum Thema Zeit gelesen: Zeit beschreibt das Fortschreiten der Gegenwart von der Vergangenheit kommend zur Zukunft. Also: in halbwegs naher Zukunft wird man das Wartezimmer verlassen und zum Arzt vorgelassen, den Flieger besteigen und sein Ziel erreichen. Auch der Bus oder die U-Bahn werden eintreffen und der Stau wird in Zukunft zur Vergangenheit gehören. In diesem Sinn: Om!

 

Claudia Lekondra