Fotos sind Momentaufnahmen

Ich liebe es zu fotografieren! Durch die Welt zu spazieren und innezuhalten, wenn man etwas entdeckt, was die Aufmerksamkeit auf sich lenkt. Nicht nur auf Reisen, sondern auch im alltäglichen Leben. Auf dem Weg zur Arbeit, im Restaurant, beim Spazierengehen oder unterwegs mit Freunden. Manchmal ist es nur ein Tasse, die vor einem besonders schönen Hintergrund steht oder ein Glas, das auf wunderbare Weise einen Sonnenstrahl einfängt. Oder man ist selber das Motiv. Manchmal ist es ein bestimmter Blickwinkel in einem bestimmten Lichtverhältnis, der eben genau aus diesem Winkel eine besondere Perspektive ermöglicht, die man, wenn man sich etwas nach links oder rechts, nach oben oder unten bewegt, nicht mehr wahrnimmt. Es sind diese Momente, die nur einen kurzen Augenblick dauern, aber die man einfangen möchte. Wofür? Warum?

Ich möchte diesen Moment festhalten, die Zeit, eben diesen Augenblick, als Mittel gegen das Vergessen. Bei der Entdeckung des Motives entscheide ich, was ich davon einfangen möchte, wie es dem Betrachter später erscheinen soll. Was links und rechts davon, eine Sekunde zuvor oder danach ist, wird ausgeblendet. Ich halte auf dem Foto das fest, was ich in diesem Moment sehe und fühle, aus meinem Blickwinkel erzählt das Foto etwas. Eine Geschichte, ein Gedicht, einen Satz, vielleicht flüstert das Foto auch nur ein Wort. Und jedem Betrachter erzählt es etwas anderes, weil jeder etwas anderes in das Foto hinein interpretiert. Es gibt Fotos, bei deren Betrachtung ich mich auch nach dreißig Jahren genau erinnere, wie ich mich damals fühlte; genau in diesem Augenblick, in dem das Foto entstand. Mit den Jahren geht die Erinnerung an die Geschichte um das Foto herum mitunter verloren. Fotos von damals in schlechter Qualität aufgenommen aus dem Augenblick heraus, denn damals drückte man nicht für ein Motiv zwanzigmal auf den Auslöser. Sind die Fotos von früher näher an der Realität? Oder eben nicht, weil der eigentliche Moment eine Sekunde zuvor oder danach war und man eben diesen nicht eingefangen hat? Sind wir heute näher an der Realität, weil wir aus den zwanzig digitalen Aufnahmen von genau diesem Moment die Perspektive auswählen können, die unser Gefühl am ehesten wiederspiegelt?

Ich fotografiere, um den Moment für mich festzuhalten, für meine Erinnerung, weil das Bild mir etwas erzählt, vielleicht eben nur eine Betrachtungsweise, die ich eben diesem Foto durch die Art und Weise meiner Aufnahme mitgebe, aber es ist meine Geschichte und manche Bilder teile ich mit Euch, weil sie – ähnlich wie meine Texte – eben etwas erzählen. Manche Fotos entstehen extra für meinen Blog, weil die jeweiligen Bilder den Inhalt meines Blogs unterstützen. Aber es gibt auch Motive, die sich vor meiner Kamera auftun, die mich inspirieren, darüber zu schreiben, was ich sehe, was ich fühle.

Das Foto von diesem Blog ist auf dem Weg von Berlin nach Hamburg vor zwei Wochen entstanden. Es war in seiner Entstehung nicht für den Blog gedacht. Ich war gefangen von diesem unglaublich schönen Blick, von diesem Licht, dieser Reflexion… Dieser Moment war es, an dem ich wusste, worüber ich meinen Blog schreiben würde: Fotos sind Momentaufnahmen für die Ewigkeit und manchmal können Fotos eben auch ein Gedicht ohne Worte sein.

Henri Cartier Bresson (französischer Fotograf) sagte einst: Ein gutes Foto ist ein Foto, auf das man länger als eine Sekunde schaut.

 

Wie viele Sekunden schaut Ihr auf das Autobahn-Foto? Wenn Ihr es länger als eine Sekunde betrachtet, ist es demnach ein gutes Foto und es erzählt jedem von Euch eine andere Geschichte.

 

Claudia Lekondra