Bücher sind das Tor in eine andere Welt

Bücher begleiten mich bereits mein ganzes Leben. Sie haben wie selbstverständlich einen beständigen Platz in meinem Leben eingenommen. Ein Leben ohne Bücher- es klingt vielleicht jetzt etwas pathetisch- kann ich mir nicht vorstellen. Lange bevor ich selbst in der Lage war, die aneinander gereihten Buchstaben zu erfassen und zu verstehen, war ich bereits der Welt der Bücher verfallen. Damals wurde mir vorgelesen und ich erinnere mich, wie ich die Schulzeit herbeisehnte, einzig aus dem Grund, dann in der Lage zu sein, meinen Lesedurst allein zu stillen und mich nicht mehr in der Abhängigkeit gegenüber dem Vorleser zu sehen, wann, wo und wie lange gelesen wurde. Was war ich nach den ersten Wochen meiner Schulzeit enttäuscht, als ich realisierte, dass es etwas Zeit bedurfte, bis man des Lesens mächtig war. Wie ungeduldig ich immer und immer wieder versuchte, zu lesen. Abtauchen in eine andere Welt, in ferne Länder und Kulturen. In der Welt der Bücher auf Menschen treffen, deren Gedanken und Gefühle nachzuempfinden, die Handlungen und Wandlungen der Protagonisten zu verstehen. Sich an Themen heranwagen und dabei die eigene Weltanschauung zu überdenken. Bücher machen etwas mit einem. Sie verändern einen, wenn man es zulässt. „Sofies Welt“ von Jostein Gaarder führte mich das erste Mal in die Welt der Philosophie. Es beeinflusste nachhaltig meine Sichtweise. Der Satz von Sokrates: „Ich weiß, dass ich nichts weiß“, bekam für mich eine neue Bedeutung. „Die Wand“ von Marlen Haushofer hinterließ ebenfalls Spuren und brachte mir das Thema Selbstreflexion nahe. Ich empfand es aufwühlend und beängstigend, da die Autorin es mit ihrer ruhigen unaufregenden Erzählweise schafft, dass man die Einsamkeit und Isolation der einzigen Protagonistin fühlt und ich war erstaunt, wie mich eine Geschichte fesselte, in der nicht wirklich viel passiert, sondern die Spannung einzig und allein von den Gedanken der Protagonistin getragen wird. Auch der Roman von Edgar Hilsenrath „Der Nazi und der Friseur“ machte etwas mit mir. War ich doch der Meinung gewesen, dass die Geschichten über die Judenverfolgung alle erzählt sind, die Romane sich in ihrem Drama gleichen. Hilsenrath schafft es mit einer aberwitzigen grotesken sarkastischen Erzählweise und mit bizarren Einfällen eine wirklich neue schockierende Geschichte zu diesem Thema zu liefern, bei der man erschaudert und der Wahnsinn einem in einem neuen Blickwinkel erscheint. Nachhilfeunterricht in Sachen Geschichte, betreffend Israels Staatsgründung und die Situation beider Seiten während des Unabhängigkeitskampfes lieferte mir der Roman von Werner Sonne „Wenn ich dich vergesse, Jerusalem“. Sprachlich beeindruckten mich unter anderem nachhaltig zwei Klassiker: Thomas Manns „Zauberberg“ und Jane Austens „Stolz und Vorurteil“. Einfach ein Genuss; diese Romane leben von der Kraft der Erzählweise und vermitteln ein Gefühl längst vergangener Zeiten. Nachvollziehbarer und verständlicher als jedes Geschichtsbuch, transportieren sie den Zeitgeist jener Zeit ihrer Entstehung in unsere Gegenwart.

Ich habe mir mal die Mühe gemacht, die zurzeit in meinem Regal  stehenden Bücher zu zählen und kam auf 330 Bücher (Sachbücher nicht mitgezählt) und ich habe sie tatsächlich alle gelesen! Da stellt man sich die Frage, wie viele Bücher man in seinem Leben bereits gelesen hat und wie viele Bücher wird man noch lesen? Aber eigentlich ist es doch egal. Was zählt sind die Geschichten, die hängen bleiben, die etwas in uns bewegen und die Geschichten, die darauf warten, noch gelesen zu werden. Die Erfindung des Buchdruckes ist eines, wenn nicht das größte Ereignis der Weltgeschichte. Ohne Bücher keine Bildung und ohne Bildung keine Orientierung, ohne Orientierung keine Identität und ohne Identität keine Persönlichkeit.

 

Claudia Lekondra