Kreativität ist eine Frage der Inspiraton von außen

Letztens fragte mich jemand, woher ich meine Kreativität nehme. Meine spontane Antwort lautete: Sie ist halt da, sie begegnet mir überall. Für den einen oder anderen, der das hier liest, eventuell nachvollziehbar, dass mich mein Gegenüber etwas irritiert oder besser ausgedrückt verständnislos anschaute und keine weiteren Fragen hierzu stellte. Ganz offensichtlich hatte mein Gesprächspartner das Interesse an einer Fortsetzung der Unterhaltung zu diesem Thema verloren. Vermutlich davon ausgehend, dass von einer kreativen künstlerisch veranlagten Person – wie meiner Person-  eben keine – für den „normalen“ Menschen – verständliche Antwort zu erhalten ist. Mir hingegen ließ diese Frage keine Ruhe und ich dachte darüber nach, ob meine Antwort nicht etwas zu platt gewesen war. Also fragte ich mich erst einmal: Was ist eigentlich Kreativität? Wie lautet die genaue Definition? Und natürlich bin ich schnell fündig geworden: Kreativität bezeichnet die Fähigkeit einer Person, in phantasievoller und gestaltender Weise zu denken und zu handeln. Aha. Und weiter ging es im Text: Kreativität ist die zeitnahe Lösung (Flexibilität) für ein Problem mit ungewöhnlichen, vorher nicht gedachten Mitteln (Originalität) und mehreren Möglichkeiten der Problemlösung (Ideenflüssigkeit), die für die Person vor der Problemlösung in irgendeiner Weise nicht denkbar ist (Problemsensitivität). Puh!

Klingt verwirrend, doch wenn man die Erklärung erst einmal sacken lässt, stellt man fest, dass demnach jeder Mensch kreativ ist, beziehungsweise sein kann. Oftmals wird Kreativität immer nur im Zusammenhang mit der Kunst und deren Künstler gesehen. Die meisten Menschen halten sich nicht für kreativ, obwohl ihre Kreativität im Alltag oftmals gefragt ist und von ihnen auch – wohl eher unbemerkt - eingesetzt wird. Bei Eltern zum Beispiel. Sie sind im Alltag oftmals gefordert, ein Problem (das Kind liegt schreiend auf dem Boden eines Supermarktes, weil das Objekt seiner Begierde, z.B.: ein Schokoriegel, seitens der Mutter/des Vaters nicht genehmigt wurde) zeitnah originell zu lösen? Und entfaltet man nicht auch bei der Planung des Urlaubes, der Gestaltung der Wohnung/des Gartens oder innerhalb seines Berufslebens eine Kreativität? Diese Art Kreativität hält sich in Grenzen und ist sicher nicht mit der kreativen Entfaltung bei Künstlern zu vergleichen, aber es ist eine Kreativität. Als Kinder sind wir doch alle kreativ. Wir erdenken uns Phantasiewelten, in die wir abtauchen. In unserem Spiel gibt es Gegenstände, Wesen und Orte, die es in der realen Welt nicht gibt und wir suchen nicht immer nach logischen Lösungen innerhalb unserer kindlichen Problemwelt.

Und dann kommt die Schule, die sich dann für viele Jahre damit beschäftigt, unsere Kreativität dem logischen Denken zu opfern. Wir werden darauf hin trainiert, alle Aufgaben korrekt und logisch zu lösen. Wir werden auf die Leistungsgesellschaft vorbereitet, die im Großen und Ganzen weder Raum noch Zeit für Kreativität lässt und eben nicht darauf vorbereitet, in der Leistungsgesellschaft durch Kreativität zu existieren. Und dann sind da jene Personen, die sich weder durch die Schule noch durch Druck von außen von ihrer Kreativität abbringen lassen. Die von Kindesbeinen an ihre Kreativität anders nutzen und einsetzen. Die die Phantasiewelt mit der Welt dort draußen verbinden und diese Welt da draußen immer etwas bunter und schillernder durch ihre Ideen erscheinen lassen. Als Kind bin ich natürlich auch in die Phantasiewelten der anderen Kinder mit abgetaucht, aber ich fiel schon damals mit ungewöhnlichen Ideen auf. Zum Beispiel überredete ich im zarten Alter von neun Jahren meine Spielkameraden dazu, mit mir ein Hörspiel aufzunehmen, eine Fotostory zu gestalten und für eine Schulfeier einen Gruppentanz einzustudieren (während andere Klassen Kuchen und Salate verkauften), dessen Choreographie ich natürlich übernahm. Das war auch die Zeit, in der ich meine ersten Kurzgeschichten, Gedichte und Romane schrieb. Ständig inspirierte mich die Welt da draußen, alles war so aufregend. Für mich war es damals schon wichtig, erst einmal offen an alles heranzugehen. Und wenn ich im Alltag an etwas zu scheitern drohte, zog ich mich in meine Zwischenwelt zurück und versuchte, das Ganze aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Diese Vorgehensweise hilft mir noch heute und es hat mir keiner beigebracht oder vorgemacht, auf diese Art und Weise mit der Welt und den Menschen umzugehen. Auf der Suche nach der Antwort auf die Frage, was ist eigentlich Kreativität, stieß ich dann unter anderem auf eine Liste: Merkmale kreativer Menschen und die dort aufgeführten Eigenschaften waren mir sehr vertraut: kulturelle Werte schätzen, Interesse an komplizierten Fragestellungen, Engagement und Leistungswille, Unabhängigkeit von Urteilen, Ausdauer, offen für neue Erfahrung, aus Denkmustern ausbrechen, gute Kommunikation, motivierend, Freiräume schaffen…

Es ist nicht immer einfach, seiner Kreativität zu folgen. Denn unsere Gesellschaft ist  dafür einfach nicht ausgerichtet. Oft muss man sich zurücknehmen, sich anpassen und dabei aufpassen, dass man sich hier nicht verliert. Dass man nicht abstumpft, dass man weiter schwingt und hierfür braucht man Freiräume im Kopf und diese Freiräume ermöglichen es mir, kreativ zu sein.

Die Antwort, die ich gab, als ich gefragt wurde, woher ich meine Kreativität nehme, war im Nachhinein betrachtet doch gar nicht so platt, wie es mir erst erschien. Denn für mich ist Kreativität eine Frage der Inspiration von außen: die Augenblicke, die Momente, die Menschen, die Gerüche, die Musik, die Sonne, der Wind, der Regen, ein Buch, eine Umarmung, ein Lächeln, ein Gefühl des Glücks, der Trauer und der Enttäuschung…irgendetwas davon ist immer da, es begegnet mir überall.

 

Claudia Lekondra